Verwurzelt in Vielfalt: Wie Baum- und Pilzvielfalt die Strategien des Waldes prägen

In Wäldern prägt Diversität nicht nur die Struktur des Ökosystems (und dessen Ästhetik), sondern bestimmt auch, wie Bäume miteinander interagieren. Entgegen dem statischen und unbeweglichen Eindruck, den Bäume vermitteln, sind sie bemerkenswert anpassungsfähig. Je nach Zusammensetzung der Waldgemeinschaft können sie ihre individuellen Ressourcennutzungs- und Wachstumsstrategien anpassen. Dabei spielen nicht nur die benachbarten Bäume eine Rolle für die individuellen Anpassungsstrategien der Bäume und die Funktion des gesamten Ökosystems, sondern auch die Vielfalt und Interaktionen mit Mykorrhizapilzen. Eine Studie von Pablo Castro Sánchez-Bermejo und Kolleg:innen untersucht diese faszinierende Dynamik und beleuchtet die Rolle von Baum-Baum-Konkurrenz und Baum-Mykorrhiza-Assoziationen bei der Prägung funktionaler Merkmale von Bäumen.

Strategien durch Blattmerkmale erkennen

Durch die Verschiebung funktionaler Merkmale können Bäume auf den Wettbewerb um begrenzte Ressourcen reagieren. Dies zeigt sich in den Merkmalen der Blätter, die recht plastische und zuverlässige Indikatoren für Ressourcennutzungsstrategien darstellen. Blattmerkmale ändern sich und spiegeln einen Kompromiss zwischen der Lebensdauer eines Blattes und seiner maximalen Photosyntheserate wider. Sie kategorisieren Bäume und andere Pflanzen als:

  • Akquisitive Strategen: Bäume mit dünnen, leichten Blättern, die reich an Stickstoff und anderen Nährstoffen sind, ausgelegt für schnelles Wachstum und Ressourcengewinnung.
  • Konservative Strategen: Bäume mit robusten, langlebigen Blättern, die auf langfristige Ressourcenschonung ausgelegt sind.

Obwohl Blattmerkmale zunächst verwendet wurden, um Arten zu vergleichen, variieren diese auch innerhalb von Arten (intraspezifische Variation) und sogar innerhalb von Individuen (intraindividuelle Variation). Dies gilt insbesondere für Bäume, da sie langlebige Arten sind, die sich während ihres Lebens an veränderte Bedingungen anpassen müssen, einschließlich der Vielfalt im Waldbestand. In Forstmonokulturen, in denen typischerweise eine höhere Konkurrenz zwischen Bäumen aufgrund ähnlicher Ressourcennutzung herrscht, werden Bäume durch konservative Strategien und eine hohe Variabilität der Blattmerkmale innerhalb desselben Kronendachs charakterisiert. In Mischwäldern hingegen weist dieselbe Baumart, die in monokulturellen Gemeinschaften dicke Blätter hatte, eine größere spezifische Blattfläche auf, also dünnere, leichtere Blätter, die auf schnelle Ressourcengewinnung ausgelegt sind – die akquisitive Strategie.

Ein Blick unter die Oberfläche

Während die Konkurrenz zwischen Bäumen ein Haupttreiber für ihr Wachstum ist, spielen andere (Mikro-)Organismen wie Mykorrhizapilze ebenfalls eine entscheidende Rolle. Sie bilden eine wechselseitig nützliche, vorteilhafte Beziehung mit den Wurzeln von Pflanzen und Bäumen, indem sie die Nährstoff- und Wasseraufnahme verbessern, während sie im Gegenzug Kohlenhydrate erhalten, die von den Pflanzen und Bäumen während der Photosynthese produziert werden.

Die Mykorrhizapilze, die mit Bäumen assoziiert sind, werden in zwei Haupttypen unterteilt, die mit entsprechenden Baumtypen in Verbindung stehen:

  • Arbuskuläre Mykorrhizapilze: Dies ist der häufigste Typ unter Bäumen und ist assoziiert mit schnell wachsenden Bäumen, da sie sich auf die schnelle Nährstoffaufnahme spezialisieren.
  • Ektomykorrhizapilze: Diese Pilze sind stärker mit langsam wachsenden, ressourcensparenden Bäumen verbunden.

Durch die Partnerschaft mit Pilzen passen Bäume auch ihre Ressourcennutzung an: Mit einer zunehmenden Vielfalt arbuskulärer Mykorrhizapilze, die mit dem Baum interagieren, steigt der Stickstoffgehalt in den Blättern – ein entscheidender Faktor für die Photosynthese, da Stickstoff ein Schlüsselbestandteil der Enzyme ist, die Bäume benötigen, um Sonnenlicht in Energie umzuwandeln. Auch hier bedeutet dies, dass Bäume derselben Art je nach unterirdischer Pilzvielfalt unterschiedliche Strategien in ihren Blättern anwenden.

Pablo Castro Sánchez-Bermejo bei der Arbeit während der Blattprobennahme im August 2021. (Foto: Sylvia Haider)

Einblick in das Experiment

Um all diese Wechselwirkungen zu verstehen, untersuchten die Forschenden 640 Bäume, die zu 10 einheimischen Laubbaumarten gehören, in einem Baumvielfaltexperiment in Mitteldeutschland. Die Bäume wurden entlang eines Gradienten von Baumartenreichtum gepflanzt: von monospezifischen Parzellen (eine Art) über Mischungen aus zwei Arten bis hin zu Mischungen aus vier Arten. Dabei umfassten die Mischungen entweder nur arbuskulär-mykorrhizale oder nur ektomykorrhizale Baumarten oder eine ausgewogene Kombination aus beiden.

Über 3.000 Blätter wurden von diesen Bäumen gesammelt. Ihre Merkmale wurden mithilfe fortschrittlicher Techniken wie der Spektroskopie analysiert, die Licht nutzt, um die chemischen und strukturellen Eigenschaften von Blättern zu messen. Dies ermöglichte es den Wissenschaftler:innen, wichtige Merkmale wie Stickstoffgehalt, Blattdicke und Trockenmassegehalt zu erfassen, ohne die Proben zu beschädigen.

Zusammengefasst: Warum ist das wichtig?

Die Studie liefert neue Erkenntnisse darüber, wie Bäume ihre Ressourcennutzungsstrategie als Reaktion auf biotische Wechselwirkungen anpassen. Entgegen bisherigen Annahmen zeigen die Untersuchungen, dass Baum- und Mykorrhizavielfalt unterschiedliche Merkmale beeinflussen. Daher reicht die Baumvielfalt allein nicht aus, um alle intraspezifischen Reaktionen in Wäldern zu erklären. Es ist jedoch ein tiefergehendes Verständnis der Baum-Mykorrhiza-Interaktionen erforderlich, um diese komplexe Dynamik vollständig zu erfassen.

Diese Erkenntnisse sind entscheidend für die Waldwirtschaft und -renaturierung. Durch die Förderung der Vielfalt sowohl bei Baumarten als auch bei Pilzen können gesündere und widerstandsfähigere Wälder geschaffen werden.


Wenn Sie an der detaillierten Methodik des Projekts interessiert sind und mehr über die spannende Welt des Wettbewerbs und der Interaktion in den Wäldern erfahren möchten, finden Sie den wissenschaftlichen Artikel hier (Englisch):
Tree and mycorrhizal fungal diversity drive intraspecific and intraindividual trait variation in temperate forests: Evidence from a tree diversity experiment – Castro Sánchez‐Bermejo – 2024 – Functional Ecology – Wiley Online Library

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