Bergwiesen stehen im Klimawandel besonders unter Druck – denn er stellt sie vor doppelte Herausforderungen: steigendende Temperaturen (schneller als in tiefer gelegenen Gebieten) und das Vordringen wärmeliebender Arten, die für Konkurrenz sorgen. Im Prozess der „Thermophilisierung“ wandern wärmeliebende Arten aus tieferen Lagen in höhere Lagen ein. Die kälteliebenden Hochlandspezialisten haben jedoch Schwierigkeiten, unter wärmeren Bedingungen zu überleben. Die Studie von Sylvia Haider (vom Ökologie-Institut der Leuphana), Carolin Schaub und Susanne Lachmuth hat untersucht, wie sich wärmere Bedingungen im Zuge des Klimawandels auf die Artenzusammensetzung und die ökologische Funktion der wertvollen und artenreichen Lebensräume der Bergwiesen auswirken könnten.
Ein Experiment, das den Berg ins Tal holt
Um die Folgen der Temperaturerhöhung zu simulieren, verpflanzten die Forscher:innen Hochlagenpflanzengemeinschaften aus den deutschen Alpen in wärmere, tiefer gelegene Regionen. Über vier Jahre hinweg wurde untersucht, wie sich die transplantierten Pflanzengemeinschaften veränderten – in ihrer Artenzusammensetzung und daraus resultierend in ihrer funktionalen Identität (typische Eigenschaften wie Blattmerkmale und Ressourcennutzungsstrategien) und funktionalen Diversität (Maß für die Vielfalt der funktionalen Eigenschaften innerhalb einer Gemeinschaft). Anders gefragt: Wie verändern sich die Hochlagenpflanzengemeinschaften, wenn sie wärmeren Bedingungen ausgesetzt sind? Welche Arten sind „Gewinner“, welche „Verlierer“? Und wie beeinflusst die Einwanderung wärmeliebender Arten des Tieflands die funktionale Identität und Vielfalt der Gemeinschaften und folglich die Funktionen und Prozesse des Ökosystems?
Einzigartig an diesem Ansatz ist, dass ganze Pflanzengemeinschaften in natürliche Standorte integriert wurden. Dadurch konnten reale Wechselwirkungen mit lokalen Arten und Umwelteinflüssen berücksichtigt werden. Solche Experimente liefern realistischere Ergebnisse als vergleichsweise künstliche Erwärmungskammern, da sie unter anderem Konkurrenz mit einheimischen Pflanzenarten und die Wirkung natürlicher Böden einbeziehen.

Was sind die Erkenntnisse und was bedeuten sie?
Im Rahmen der Studie wurden auf Artebene funktionelle morphologische und biochemische Merkmale von Blättern erfasst, die für die Gemeinschaftsebene die Berechnung von gewichteten Merkmalsmittelwerten, funktionellem Reichtum und funktioneller Divergenz ermöglichten. Diese Konzentration auf funktionelle Merkmale gab Aufschluss darüber, wie sich die Interaktionen zwischen den Arten und die Strategien zur Ressourcennutzung als Reaktion auf die Klimaerwärmung verändern können.
Die Ergebnisse zeigen, wie dynamisch und gleichzeitig verletzlich montane Ökosysteme sind. Bereits nach den vier Jahren hatten sich die verpflanzten Gemeinschaften stark verändert. Die transplantierten Hochlandgemeinschaften gewannen über die Zeit an Artenreichtum, was sowohl auf die Einwanderung wärmeliebender Tieflandarten als auch auf die „lag phase“ der Hochlandspezialisten, also das verzögerte Verschwinden, zurückzuführen ist. Sie konnten unter anderem durch vegetative Vermehrung (z. B. durch Wurzelausläufer) ein schnelles Aussterben zunächst verhindern.
Die wärmeliebenden Arten, also jene, die aus tiefergelegenen Regionen stammen, haben eine andere „ökologische Strategie“: Sie wachsen schneller, nehmen mehr Nährstoffe auf und konkurrieren stärker um Licht. Dies könnte langfristig das Überleben der kälteliebenden Spezialisten gefährden, die auf langsames Wachstum und einen sparsamen Ressourceneinsatz setzen. Ein Beispiel dafür ist die Art Poa alpina (Alpen-Rispengras), die im ersten Jahr noch in fast allen verpflanzten Hochlagengemeinschaften vorkam, jedoch bis zum vierten Jahr nahezu verschwunden war.
Ein weiteres bemerkenswertes Ergebnis ist damit schon auf den Punkt gebracht: Die verpflanzten Gemeinschaften wurden den Tieflandgemeinschaften immer ähnlicher. Der Berg verliert dadurch einen Teil seiner einzigartigen floristischen Identität und nähert sich der Artenzusammensetzung des Tieflands an.

Ein Weckruf für den Schutz montaner und alpiner Ökosysteme
Insgesamt stützen die Ergebnisse die zuvor aufgestellten Hypothesen, dass die Klimaerwärmung zu signifikanten Veränderungen des Artenreichtums, der Artenzusammensetzung und der funktionellen Eigenschaften von Bergwiesengemeinschaften führt. Hochlandpflanzen, die an kältere Temperaturen und nährstoffarme Böden angepasst sind, könnten langfristig durch den Klimawandel verschwinden. Diese Arten sind nicht nur ökologisch, sondern auch kulturell von Bedeutung. Die Studie betont, dass alpine Ökosysteme weltweit ähnliche Risiken teilen. Wieder einmal zeigt sich: Klimawandel und Biodiversitätsverlust sind eng miteinander verbunden.
Um die wertvollen Bergökosysteme zu erhalten, sind gezielte Schutzmaßnahmen notwendig. Dazu gehören nicht nur die Reduktion von Treibhausgasen, um die Auswirkungen des Klimawandels zu verringern, sondern auch Strategien, die das Überleben der empfindlichen Hochlandspezialisten schützen und fördern.
Wenn Sie die Studie noch tiefergehend interessiert, finden Sie diese hier: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/jvs.13280