Weniger Landnutzung, mehr Insekten: Die Extensivierung von Grasland fördert die Häufigkeit von Wirbellosen

Es überrascht dich sicherlich nicht, dass der Verlust von Lebensräumen und die Verschlechterung von Ökosystemen durch intensive Landnutzung eine globale Bedrohung für die Artenvielfalt darstellen. So ist beispielsweise die intensive Landnutzung einer der Gründe für den weit verbreiteten Rückgang von Insekten und anderen Wirbellosen. Werfen wir einen genaueren Blick auf Grünland. Obwohl es eine reiche Vielfalt an Pflanzen und Tieren, darunter auch Wirbellose, beherbergt, ist es besonders anfällig für intensive Landnutzung.

Eine kürzlich veröffentlichte Studie von Michael Staab, Professor für Tierökologie und Trophische Interaktionen am Institut für Ökologie der Leuphana Universität, und Kolleg*innen untersuchte, ob die Wiederherstellung von Grünland durch eine Reduzierung der Landnutzung die Insektenhäufigkeit und die -diversität fördern kann.

Erforschung von Biodiversitätsexperimenten: Das Design der Studie

Staab et al. untersuchten die Auswirkungen der Landnutzungsintensität auf Wirbellose anhand eines neu eingerichteten Extensivierungsversuchs, der Teil der Biodiversitäts-Exploratorien ist. Dieser Rahmen wurde genutzt, um zu verstehen, wie die Auswirkungen einer reduzierten Landnutzung vom lokalen Kontext sowie von spezifischen Bewirtschaftungsentscheidungen abhängen, die alle Teil der Landnutzung sind.

Wie haben sie herausgefunden, was wirklich der Fall ist? Die Studie wurde an 45 Grünlandstandorten in drei verschiedenen Regionen Deutschlands durchgeführt. An jedem Standort verglichen die Forscher*innen eine regelmäßig bewirtschaftete Kontrollfläche mit einer nahe gelegenen Versuchsfläche, auf der die Landnutzung experimentell reduziert wurde, also nur einmal pro Jahr spät gemäht und weder gedüngt noch beweidet wurde. Im Jahr 2021 und 2023, ein bzw. drei Jahre nach Beginn des Experiments, wurden auf beiden Plots Wirbellose gesammelt. Im Jahr 2021 wurden die Proben mittels DNA-Metabarcoding identifiziert, was eine gründliche Artenbestimmung ermöglichte. Anschließend analysierte das Team Unterschiede in Bezug auf Häufigkeit, Vielfalt und Artenzusammensetzung und untersuchte, wie Faktoren wie Mähhäufigkeit, Düngung und Mähtechnik in der umgebenden Matrix sowie Bewirtschaftungsentscheidungen auf der Reduktionsfläche das Ausmaß der Auswirkungen der Landnutzungsreduzierung beeinflussten. Bei den Ergebnissen ist zu beachten, dass für die zweite Probenahme im Jahr 2023 keine Daten zur Artenvielfalt vorlagen.

Überblick über Studiendesign und Hypothese

Zum Sammeln von Arthropoden wurde ein Biozönometer verwendet, was im Wesentlichen ein riesiger Staubsauger ist

Die Ergebnisse: Eine Pause für Grünland ist ein Gewinn für Insektenzahlen

Die Reduzierung der Landnutzung auf eine späte Mahd erhöhte die Bestandsdichte, also die Anzahl der Individuen von Wirbellosen, um 41 %. Aber es wird noch besser: Nach drei Jahren war die Häufigkeit in den Plots mit reduzierter Landnutzung um ganze 99 % höher. Der Artenreichtum, die Shannon-Diversität und die Simpson-Diversität zwischen den Behandlungs- und Kontrollplots waren jedoch nach einem Jahr nahezu identisch. Folglich hatte die Behandlung mit reduzierter Landnutzung einen positiven, im Laufe der Zeit zunehmenden Effekt auf die Häufigkeit der Wirbellosen, jedoch nicht auf ihre Diversität.

Info: Artenreichtum, Shannon-Diversität und Simpson-Diversität
Artenreichtum bedeutet einfach die Anzahl der Arten in einem Gebiet, während die Shannon-Diversität sowohl die Anzahl der Arten als auch die Gleichmäßigkeit der Verteilung der Individuen untereinander berücksichtigt. Sie steigt, wenn viele Arten in ähnlicher Häufigkeit vorkommen. Die Simpson-Diversität umfasst ebenfalls Artenreichtum und Gleichmäßigkeit, gewichtet jedoch häufige Arten stärker. Sie spiegelt wider, wie dominant die am häufigsten vorkommenden Arten sind. 

Doch das ist noch nicht alles. In beiden Jahren hing das Ausmaß der Auswirkungen der Behandlung auf die Bestandsdichte von der Art der Landnutzung der umliegenden Wiesen und davon ab, wie die Fläche mit reduzierter Landnutzung im Vorjahr gemäht worden war. Die Auswirkungen der reduzierten Landnutzung waren geringer, wenn die Umgebung zuvor häufiger gemäht worden war. Im Gegensatz dazu nahm der positive Effekt der Extensivierung auf stärker gedüngten Standorten zu. Ebenso war der Effekt auch größer, wenn die Fläche mit reduzierter Landnutzung mit einer größeren Schnitthöhe gemäht wurde und wenn die Behandlungs- und Kontrollfläche nicht am selben Tag gemäht wurden.

Wir müssen ein paar Dinge besprechen:

Warum eine Zunahme der Bestandsdichte, aber nicht der Vielfalt?
Eine Verringerung der Landnutzungsintensität führt zu einem raschen Anstieg der Anzahl der Wirbellosen, was laut den Autor*innen als positive Reaktion bereits lokal vorhandener Arten interpretiert werden kann, deren Populationen von der geringeren Störung profitieren. Wie man sich leicht vorstellen kann, werden durch selteneres Mähen weniger Insekten getötet. Die Artenvielfalt hingegen hat sich nach einem Jahr nicht verändert, was darauf hindeutet, dass die Wiederherstellung der biologischen Vielfalt länger dauert. Darüber hinaus blieb die Artenzusammensetzung ein Jahr nach Beginn der Extensivierung unverändert, was auf ein starkes Erbe der früheren intensiven Landnutzung hindeutet. Aufgrund fehlender Daten zur Artenvielfalt für die Probenahme im Jahr 2023 wissen wir nicht, ob drei Jahre nach der Einführung der reduzierten Landnutzung die Artenvielfalt zugenommen hätte oder sich die Artenzusammensetzung verändert hätte. Das herauszufinden ist nun die Aufgabe von Folgestudien.

Lokale Landnutzungskontexte und Details der Bewirtschaftung sind von Bedeutung
Die positiven Auswirkungen auf die Bestandsdichte waren in häufig gemähten Landschaften geringer, wahrscheinlich aufgrund der Verarmung der umliegenden Populationen. Daher ist eine Reduzierung der Landnutzung in häufig gemähtem Grünland möglicherweise weniger effizient, es sei denn, das Gebiet ist mit anderen ungemähten oder größeren Lebensräumen verbunden. Die stärkeren Auswirkungen, die in stark gedüngtem Grünland beobachtet wurden, waren wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass die Produktivität nach Beendigung der Düngung zunächst hoch blieb und somit mehr pflanzliche Ressourcen für die Wirbellosen zur Verfügung standen. Die Ergebnisse, die zeigen, dass das Mähen der Wiese in größerer Höhe und das Nichtmähen der gesamten Fläche am selben Tag weniger schädlich für Insekten ist, belegen, dass Insekten Rückzugsgebiete benötigen. Wenn wir also Insekten bei der Wiederherstellung von Wiesen fördern wollen, müssen wir räumlich und zeitlich unterschiedliche Mährhythmen anwenden.

Was sind die wichtigsten Erkenntnisse für den Insektenschutz?

Die Studie unterstreicht die Notwendigkeit einer langfristigen, nachhaltigen Extensivierung für eine erfolgreiche Wiederherstellung von Grünland, wobei deren Wirksamkeit für den Schutz von Wirbellosen je nach lokalem Kontext variiert. Es ist klar, dass die Wiederherstellung von Grünland eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung des Insektenrückgangs spielen kann, während eine höhere Anzahl von Wirbellosen auch insektenfressende Vögel und wichtige Ökosystemfunktionen unterstützt. Dennoch müssen bei den Wiederherstellungsbemühungen verschiedene Biodiversitätsziele gegeneinander abgewogen werden: Während eine mittlere Mähfrequenz die Pflanzenvielfalt erhöhen kann, kann sie sich nachteilig auf Wirbellose auswirken. Um die Ergebnisse der Renaturierung sowohl für Pflanzen als auch für Insekten zu maximieren, ist daher ein landschaftlicher Ansatz mit verschiedenen Maßnahmen erforderlich, die auch die Heterogenität und die Konnektivität der Lebensräume erhöhen.


Du möchtest mehr über die Studie und ihre Ergebnisse erfahren? Dann kannst du hier den vollständigen Text lesen:  https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1439179125000738?via%3Dihub

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