Die Renaturierung von Ökosystemen ist eine bedeutende Herausforderung unserer Zeit. Degradierte Landschaften wiederherzustellen, biologische Vielfalt zu erhalten und natürliche Prozesse zu fördern – das erfordert einen intensiven Austausch zwischen Forschung und Praxis, von dem beide Seiten profitieren. Genau hier setzt das Netzwerk Renaturierung an. Seit seiner Gründung im Jahr 2016 hat sich das Netzwerk zu einer wichtigen Plattform für die deutschsprachige Renaturierungsgemeinschaft entwickelt – für Vicky Temperton vom Ökologie-Institut der Leuphana und eine der Organisator:innen des Netzwerks ist dieses eine „success story“ für die transdisziplinäre Zusammenarbeit.
Info: Was bedeutet Renaturierung?
Renaturierung wird als ein durch den Menschen veranlasster Prozess zur Unterstützung der Wiederherstellung eines Ökosystems, das entweder degradiert, gestört oder vollständig zerstört wurde, definiert. Ziele und Erfolgsmaßstäbe für Renaturierungsprojekte orientieren sich an den ökologischen (und sozialen) Gegebenheiten und Standortsfaktoren. Laut der Society for Ecological Restoration (SER) soll Renaturierung nicht nur einzelne Arten oder Landschaftsmerkmale wiederherstellen, sondern ein langfristig widerstandsfähiges, sich selbst erhaltendes Ökosystem schaffen, das ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltig ist.

Eine Erfolgsgeschichte: Wie alles begann
Die Initialzündung für das Netzwerk erfolgte auf der 10th European Conference on Ecological Restoration 2016 in Freising. Während eines eigens organisierten Praktiker:innentags wurde der Bedarf und das große Interesse nach einer besseren Vernetzung zwischen Wissenschaftler:innen, Praktiker:innen und Verwaltungsakteur:innen offensichtlich. Noch während der Konferenz wurde eine erste Mailingliste für Interessierte erstellt, die seither stetig gewachsen ist und inzwischen rund 300 Mitglieder umfasst.
Im Jahr 2017 fand das erste Netzwerktreffen in Jänschwalde (Brandenburg) statt – organisiert hatten es Sabine Tischew und Kathrin Kiehl, gemeinsam mit Akteur:innen vor Ort. Es folgte der Strategieplan für das Netzwerk Renaturierung als „lockere Arbeitsgruppe“ – und damit folgten auch regelmäßige Veranstaltungen an wechselnden Orten in Deutschland, und auch Luxemburg, die sich jeweils einem spezifischen Renaturierungsthema und -ökosystem widmen. Der wechselnde Ort für die Treffen ermöglicht auch, dass immer wieder neue Interessierte daran teilnehmen können und sich das Netzwerk stetig erweitert.
Die Struktur: Offenheit als Prinzip
Ein wesentliches Merkmal des Netzwerks ist seine flexible und unbürokratische Struktur. Es gibt weder Mitgliedsbeiträge noch eine Vereinsstruktur, um den administrativen Aufwand so gering wie möglich zu halten. Zudem finden die Netzwerktreffen selbstfinanziert statt, also ohne Tagungsgebühren.
Dadurch bleibt das Netzwerk für alle offen, die sich für Renaturierung interessieren – unabhängig davon, ob sie aus Wissenschaft, Verbänden, Verwaltung und Behörden, Planungsbüros oder Unternehmen kommen.
Die Organisator:innen (Simone Schneider – Naturschutzsyndikat SICONA; Annika Schmidt und Sabine Tischew – Hochschule Anhalt; Kathrin Kiehl – Hochschule Osnabrück; Vicky Temperton – Leuphana Universität; Johannes Kollmann – TUM) investieren viel ehrenamtliche Arbeit, um das Netzwerk lebendig zu halten. Sie teilen sich die Aufgaben rundum die Website, Koordination und (fachliche) Organisation untereinander auf. Für sie steht fest: Der gemeinsame Austausch und die Möglichkeit, die Renaturierungsökologie voranzubringen, sind den Aufwand wert.

Praxis trifft Wissenschaft: Die Bedeutung der Netzwerktreffen
Ein zentrales Element der Arbeit des Netzwerks sind die regelmäßigen Netzwerktreffen. Diese bestehen in der Regel aus kurzen Impulsvorträgen, gefolgt von Besichtigungen von Renaturierungsflächen/ -projekten. Dabei liegt ein besonderer Fokus auf dem offenen Austausch über Erfolge, Herausforderungen und auch Misserfolge – denn gerade aus Fehlern kann die Gemeinschaft wertvolle Lehren ziehen.
Zu den bisherigen Themen der Treffen gehörten unter anderem die Renaturierung von Rohbodenflächen, die Integration naturschutzfachlicher Aspekte in die Raumplanung sowie die Wiederherstellung von Graslandlebensräumen beim letzten Netzwerktreffen in Luxemburg im Sommer 2024. 2025 gibt es gleich drei Netzwerktreffen.
Vernetzung auf europäischer Ebene
Das Netzwerk Renaturierung ist auch auf europäischer Ebene sehr gut vernetzt. Seit 2019 ist es Mitglied der SER Europe (European chapter of the Society for Ecological Restoration) und pflegt enge Kontakte zu verwandten Organisationen, unter anderem zum Arbeitskreis Naturschutz und Renaturierungsökologie innerhalb der GfÖ (SER Germany, Austria and Switzerland). Diese internationale Zusammenarbeit trägt dazu bei, Synergien zwischen verschiedenen Renaturierungsinitiativen zu stärken und zu nutzen. Darüber hinaus spielen Netzwerke wie das Netzwerk Renaturierung eine entscheidende Rolle bei der Förderung des EU-Gesetzes zur Wiederherstellung der Natur, indem sie die Renaturierungsbemühungen verstärken und vergrößern, sowie zur nationalen Umsetzung im Einklang mit den EU-weiten Zielen beitragen. Solche Netzwerke sind von entscheidender Bedeutung für die Umsetzung der Richtlinien in die Praxis, die Förderung innovativer Ansätze und die Maximierung des langfristigen Erfolgs von Renaturierungsmaßnahmen im Rahmen der neuen Gesetzgebung.

Info: Das Renaturierungsgesetz der EU
Die EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur (EU Nature Restoration Law) trat am 18. August 2024 in Kraft. Sie verfolgt das Ziel, mindestens 20 % der Land- und Meeresflächen der EU bis 2030 wiederherzustellen und bis 2050 alle Ökosysteme, die einer Renaturierung bedürfen, in einen guten ökologischen Zustand zu versetzen. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, nationale Renaturierungspläne zu erstellen, die darlegen, wie die festgelegten Ziele national erreicht werden sollen. Mit der flächendeckenden Förderung von Renaturierungsinitiativen können die Biodiversität und das Klima geschützt, die Resilienz der Ökosystem erhöht und auch wirtschaftliche Vorteile gesichert werden. Die Verordnung ist ein zentraler Bestandteil des Europäischen „Green Deals“ und der EU-Biodiversitätsstrategie 2030.
Fazit: Gemeinsam für eine nachhaltige Zukunft
Das Netzwerk Renaturierung ist ein herausragendes Beispiel dafür, wie eine flexible, trans- und interdisziplinäre Zusammenarbeit erfolgreich gestaltet werden kann. Durch den offenen Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis entstehen innovative Lösungen für die vielfältigen Herausforderungen der Renaturierungsökologie. In einer Zeit, in der intakte Ökosysteme von unschätzbarem Wert sind, ist eine solche Plattform unverzichtbar.
Wer Interesse hat, Teil dieses Netzwerkes zu werden, kann sich auf der Website weiter informieren und Kontakt aufnehmen. Denn eines ist sicher: Die Renaturierung unserer Ökosysteme gelingt am besten, wenn wir sie gemeinsam gestalten.