Grünland, das etwa 40 % der globalen Landfläche bedeckt, bietet zahlreiche Ökosystemdienstleistungen, darunter Biodiversität, Wasserspeicherung, Erosionsschutz und: eine langfristige Kohlenstoffspeicherung im Boden. Im 2023 herausgegebenen Band „Warnsignal Klima: Hilft Technik gegen die Erderwärmung?“ schreibt Vicky Temperton vom Institut für Ökologie der Leuphana Universität von der Bedeutung von artenreichem Grünland im Kontext des Klimaschutzes und der Anpassung an den Klimawandel. Die Resilienz von Grünland gegenüber Extremwetterereignissen wie Dürren, Bränden oder Starkregen und seine hohe Albedo (Reflexionsfähigkeit von Sonnenlicht) sind dabei wichtige Faktoren, die jedoch oft in der Diskussion um natürliche Klimalösungen (Natural Climate Solutions, NCS) vernachlässigt werden. Warum ist das so?
Von Wäldern und Wissenslücken: Ein ganzheitlicher Blick auf den Klimaschutz
Temperton weist darauf hin, dass erhebliche Wissenslücken in der wissenschaftlichen Analyse des Klimaschutzpotenzials verschiedener Ökosysteme bestehen und diese das Silodenken im wissenschaftlichen, aber auch im politischen Kontext begründen und verstärken. So gibt es beispielsweise weniger Studien zur Beeinflussung der Kohlenstoffspeicherung durch die Intensität der Landnutzung, zur Komplexität der Kohlenstoffspeicherungsmechanismen und -bedingungen sowie weniger vergleichende Studien zur Speicherfähigkeit verschiedener Ökosysteme. In der politischen Sphäre führt die Trennung beispielsweise der Ministerien für Landwirtschaft und Naturschutz dazu, dass Wechselwirkungen zwischen Landnutzung, Lebensraum und Klimaschutzpotenzial nicht ausreichend berücksichtigt und zusammengedacht werden.
Kritisch zu betrachten ist daher auch die gegenwärtige Fokussierung auf Aufforstung als die beste Lösung für den Klimaschutz. Der sogenannte „biome bias“, der Wälder in der öffentlichen Wahrnehmung bevorzugt, kann im schlechtesten Fall sogar dazu führen, dass unüberlegte Aufforstungsinitiativen auf Kosten anderer Ökosysteme zu einem Verlust an Biodiversität führen. Der Erhalt der Biodiversität ist jedoch entscheidend für die Effektivität von Klimaschutzmaßnahmen, da eine hohe Artenvielfalt die Stabilität und Resilienz von Ökosystemen erhöht.
Von Wechselwirkungen und Weitblick: Strategien zusammendenken
Wir müssen den Verlust der biologischen Vielfalt ebenso berücksichtigen wie den Klimawandel und ihre Wechselwirkungen. Auf der Suche nach guten natürlichen Klimalösungen täten wir gut daran, vergleichende wissenschaftliche Bewertungen vorzunehmen, die systematisch die verschiedenen multifunktionalen Wirkungen der verschiedenen Lebensraumtypen vergleichen. So sollten auch auf politischer Ebene mehr integrative Maßnahmen entwickelt und umgesetzt werden. Eine solche Maßnahme ist die Wiederherstellung und Erhaltung von artenreichem Grünland – eine Win-Win-Lösung für den Schutz des Klimas und der biologischen Vielfalt.
So fordert der Artikel eine umfassendere Betrachtung der Rolle von Grünland und anderen Ökosystemen wie Mooren, Feuchtwiesen, Heiden, Mangroven und Seegraswiesen in der Klimawissenschaft und -politik. Die Komplexität der ökologischen Systeme und Prozesse müssen anerkannt und die Wechselwirkungen zwischen Klima- und Artenschutz für eine effektive nachhaltige Strategie in den Mittelpunkt gestellt werden.
Den Artikel sowie das gesamte Band finden Sie hier: https://www.klima-warnsignale.uni-hamburg.de/buchreihe/climate-engineering/
Die Buchreihe „Warnsignale“ umfasst bisher 20 Bände mit rund 800 umwelt- und klimarelevanten Artikeln, die von etwa 1.500 Fachleuten aus knapp 500 Forschungs- und Umweltorganisationen verfasst wurden. Ziel der Reihe ist es, einen Beitrag zur breiten öffentlichen Diskussion an Bildungseinrichtungen, in den Medien, unter interessierten Laien sowie in Politik und Verwaltung über unseren Umgang mit der Umwelt und zum Klimaschutz zu leisten.